Die lebensfrohe Jewgenija Ignatjewna Kljonowa, geborene Bojko, wurde am 20. Juni 1925 in Stary Krym geboren.
Nach der Besetzung der Krim im November 1941 mussten sich alle Bürger der Halbinsel ab 16 Jahre beim Arbeitsamt registrieren lassen und wurden zu verschiedensten Arbeiten eingeteilt. Jewgenija, genannt Shenja, wurde in der Wäscherei eines deutschen Spitals eingesetzt, dann arbeitete sie im Steinbruch/Straßenbau, anschließend in der Tabakindustrie.
Im Oktober 1942 wurde Shenja von der Straße weg nach Deutschland verschleppt. Drei Tage Zugfahrt, kaum Verpflegung. Der Zug hielt in Mainz. Gleich am Bahnhof fand eine „Auktion“ der Verschleppten statt. Shenja sollte Toiletten in einem Fliegerschulen-Studentenheim reinigen. Sie weigerte sich, für die Deutschen zu arbeiten. Sie wurde geschlagen und mit Essensentzug bestraft. Wieder wurde sie in einen Zug gesetzt, in einen sauberen Zug, wie sie sich erinnerte. Sie bekam sogar zu essen und dachte, sie würde zurück in ihre Heimat gebracht. Die Zugreise endete in Berlin, dort kam sie ins Gefängnis, wurde verhört, geschlagen, gedemütigt und ins KZ Ravensbrück überbracht. Dort wurde sie zunächst als Zwangsarbeiterin im Straßenbau und zur Kartoffelernte bei umliegenden Höfen eingesetzt, um kurz darauf in das Außenlager des KZ Ravensbrück mitten in der Stadt Neubrandenburg verlegt zu werden. Hier wurde sie in den Mechanischen Werkstätten zur Herstellung von Geschosshülsen gezwungen.
Das Schneiden der Hülsen führte zu Geschwüren an den Händen, später am ganzen Körper, hinzu kamen ständige Magenschmerzen als Folge der Unterernährung. Sie magerte zusehends ab. Ein Meister, dessen Namen sie nicht kennt, steckte ihr Butterbrote zu, gab ihr Salbe, half ihr in eine andere Abteilung zu kommen. Hier musste sie fünf verschiedenfarbige Kabel in einen Kasten klemmen. Ihre neue Aufseherin lief mit der Peitsche durch die Halle und rief „Los, los!“. An der Wand hing eine Uhr, darunter in russischer Sprache: „Für Glückliche gibt es keine Zeit.“ Jegliches Sprechen war verboten. Die Geschwüre am Körper verschlimmerten sich, die Magenschmerzen wurden stärker, sie konnte nicht mehr arbeiten. Sie wurde ins KZ Ravensbrück zurückgebracht.
Die tschechische Ärztin und Häftlingsfrau Wlada Tauferowa rettete Shenja vor der Gaskammer und schickte sie auf einenTransport ins KZ Maidanek. Eine Ärztin mit Namen „Jana“, Freundin von Wlada Tauferowa, brachte sie dort auf die Krankenstation, pflegte sie gesund und registrierte sie unter dem Namen einer bulgarischen Verstorbenen. Hier blieb sie nicht lange, denn die Front war nicht mehr weit. Im Spätherbst 1944 wurde Shenja wieder zurück in das KZ Ravensbrück transportiert.
Das KZ war überfüllt, jeden Tag gab es viele Tote, Unruhe herrschte. Frauen wurden kolonnenweise aus dem Lager auf Todesmärsche getrieben. Shenja und weitere vier Häftlinge blieben zunächst und mussten die Papiere der Lagerleitung verbrennen. Am 28. und 29. April wurden auch sie aus dem Lager auf den Todesmarsch geschickt, von Wachmännern und Hunden angetrieben. Plötzlich waren die Wachen verschwunden, eine ungewöhnliche Stille herrschte – später wird sie oft erzählen, wie der Waldboden gerochen hat. Die Frauen irrten durch die Wälder. Auf einem Bauernhof erhielten Shenja und ihre Begleiterinnen Kleidung, dann wurden sie von Soldaten der Roten Armee aufgegriffen. Sie freuten sich, in ihrer Sprache angesprochen zu werden. Aber schnell folgte die große Enttäuschung. Shenja wurde stundenlang verhört. Man glaubte den Häftlingsfrauen nicht, dass sie im KZ waren.
Das Stalinregime erklärte die Verschleppten zu Feinden des sowjetischen Volkes, schließlich hatten sie für die Deutschen gearbeitet. Erneut folgten Kreuzverhöre, Prüfungen und Vernehmungen über mehrere Monate hinweg, nunmehr durch eine sowjetische Militärabteilung in der Region Mecklenburg.
Im September 1946 konnte Shenja in ihre Heimat nach Stary Krym zurückkehren.
Auch hier wieder Verhöre. Bei der Suche nach Arbeit musste ein Lebenslauf vorgezeigt werden, mit Angaben auf die Frage: „Wo warst du während des Krieges?“ Während eines dieser Verhöre gab ihr ein Offizier des KGB den „guten Rat“, nach Sibirien zu gehen, dort gäbe es viel Arbeit „für solche wie sie“. So blieb Shenja dann 20 Jahre in Tomsk, arbeitete erst im Wald, später in einer Holzfabrik.
Erst 1968 konnte sie in ihre Heimatstadt Stary Krym zurück. Ihren Mann hatte sie in Tomsk kennen gelernt. Sie hat sechs Kinder, viele Enkel und Urenkel. Ihr Ehemann ist 2011 verstorben.
Jewgenija Ignatjewna Kljonowna, von allen Shenja oder „Tante Shenja“ genannt, ist am 12. April 2016 gestorben.