Gedenkstätte KZ–Außenlager Wandsbek-Drägerwerke

Als ein Ort wider Verdrängen und Vergessen erinnert seit 2010 die Gedenkstätte in der Ahrensburger Straße 162 in Hamburg an das frühere KZ-Außenlager Wandsbek-Drägerwerke.

Gedenkstätte KZ-Außenlager Wandsbek-Drägerwerke
Gedenkstätte KZ-Außenlager Wandsbek-Drägerwerke

Auf dem Gelände der damaligen Drägerwerke Lübeck in Wandsbek wurde im Mai 1944 ein KZ-Außenlager des KZ Neuengamme eingerichtet. Über 500 weibliche Gefangene aus dem KZ Ravensbrück mussten hier Zwangsarbeit für die Herstellung von Gasmasken leisten.

Eine der über 132 000 Inhaftierten des größten Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück war Ljudmila Fjodorowna Subowskaja, verschleppt zur Zwangsarbeit in das KZ-Außenlager in Wandsbek.

2010 erlebte sie die Einweihung des Gedenkortes, wo sie als Opfer des Nationalsozialismus Leid und Elend erfahren hatte.

Ljudmila Fjodorowna Subowskaja, geborene Ljudmila Fjodorowna Podgajezkaja, Jahrgang 1927, war eine der rund 13,5 Millionen verschleppten ausländischen ZwangsarbeiterInnen ins Deutsche Reich.

Am 10. Juni 1942, wird Ljudmila, damals 15 Jahre alt und Schülerin der 7. Klasse, von deutschen Soldaten festgenommen, von der Krim verschleppt und in einem Bergwerk in Österreich zur Zwangsarbeit eingesetzt. Erschöpft von der harten körperlichen Arbeit, schläft sie ein, wird misshandelt und soll sofort getötet werden. Tschechoslowakische und österreichische Häftlinge ermöglichen ihr die Flucht nach Graz, wo sie sich einer bewaffneten Untergrundorganisation russischer Kriegsgefangener und österreichischer Kommunisten anschließt. Die Gruppe fliegt auf, es folgen Verhöre, Misshandlungen. Ljudmila kommt Anfang 1944 in das KZ Ravensbrück.

Ljudmila Fjodorowna Subowskaja
Ljudmila Fjodorowna Subowskaja

Von dort wird sie in das Außenlager des KZ Neuengamme in Hamburg-Wandsbek überstellt. In ihrer Empfindung wird sie dort noch stärker gedemütigt als im KZ Ravensbrück, zum Beispiel muss sie der Erhängung ihrer Mitgefangenen Raja beiwohnen.

Nach ihrer Befreiung am 5. Mai 1945 und Rückkehr auf die Krim bewirbt sie sich bei der Staatsbank um eine Ausbildungsstelle als Buchhalterin. Ihre Bewerbung wird sofort zerrissen, weil sie in einer Befragung wahrheitsgemäß ihre Verschleppung ins Deutsche Reich angibt. Ihr wird, wie fast allen aus den russischen Gebieten Verschleppten, Verrat am sozialistischen Vaterland und Zusammenarbeit mit dem Feind vorgeworfen. Ljudmila hat Glück, denn einem Geheimdienstmitarbeiter des KGB ist ihre Tätigkeit als Widerstandskämpferin in Österreich bekannt. Sie darf in ihrer Heimat bleiben und bekommt die Ausbildungsstelle. Andere ZwangsarbeiterInnen werden nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion erneut zur Zwangsarbeit verpflichtet und dürfen erst Mitte der 1960er-Jahre in ihre jeweilige Heimat zurückkehren.

Ljudmila lebt heute in Simferopol. Sie war einige Male zu Besuch in Hamburg, unter anderem zur Einweihung des Wandsbeker Gedenkortes. Ljudmila und rund 250 weitere Überlebende hatten auf eine Initiative unseres Netzwerkes über eine Annonce in einer Simferopoler Zeitung 1998 Kontakt miteinander gefunden. Die Menschen trafen sich und sprachen erstmals nach 54 Jahren über ihre Leidenswege. Bis dahin hatten sie über ihre Vergangenheit selbst gegenüber ihren Familien geschwiegen. Sie beließen es nicht bei Gesprächen untereinander, sondern gründeten im Jahr 2000 den Städtischen Simferopoler Invalidenverein ehemaliger KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter e. V. Dieser Verein ist das organisatorische Zentrum für vielfältige Aufklärungsarbeit, die die Mitglieder ganz praktisch zum Beispiel in Schulen leisten. Dort berichten die betagten Menschen über ihren Lebensweg und sie mischen sich tatkräftig in die postsowjetische Gedenkpolitik ein, um ihrem Schicksal als ehemals verschleppte ZwangsarbeiterInnen Gehör zu verschaffen.

Die Kurt und Herma Römer Stiftung unterstützt dieses zivilgesellschaftliche Projekt seit vielen Jahren durch Spenden, die für Lebensmittel und Medikamente, Gehhilfen und viele andere für die Pflege alter Menschen notwendigen Bedarfe eingesetzt werden. Für die aktuell noch 63 hochbetagten, meist pflegebedürftigen Vereinsmitglieder bedeutet das neben einem materiellen Beitrag vor allem, ihnen als spätgeborene Deutsche Respekt für ihr Leid zollen und die verbleibende Lebenszeit etwas zu erleichtern.

Lesetipp: Stefan Romey, Ein KZ in Wandsbek, VSA, erweiterte Neuausgabe vom April 2016